Bedenkliches über Geschmack und Kunst

Immer wieder erhitzen sich die Gemüter über folgende Frage: „Ist dieses oder jenes nun Kunst oder nicht?“ Viele vertreten auch die Meinung, Kunst könne man überhaupt nicht definieren.

Kunst ist immer mit einer besonderen Leistung verbunden. Kunst, was immer es auch sei, ist ein Hochseilakt, ein Gedicht, ein Gemälde, eine Skulptur, ein Musikstück oder das, was man heute Performance nennt. Es muß etwas sein, daß nicht jeder X- Beliebige zu Wege bringt.

Je weniger Menschen gerade dies bewerkstelligen können, um so mehr ist die Bezeichnung Kunst angebracht. Seit längerer Zeit wird allerdings leider vieles als Kunst bezeichnet, was durchaus von jedem geschaffen werden könnte – vieles ist auch ein reines Zufallsprodukt. Als besondere Fähigkeit ist bestenfalls die Fähigkeit, derartige Machwerke als Kunst zu verkaufen, zu bewerten.

Sicherlich kann man sich darauf einigen, daß Kunst möglichst eine Botschaft übermitteln und vor allem erbauend, so wie ansprechend sein sollte. In der Kunst sollte das Streben nach Schönheit erkennbar sein. Bei dem Wort Schönheit jedoch, stoßen wir auf einen anderen Aspekt: den Geschmack.

Was der Eine als schön empfindet, kann dem Anderen als abgrundtief häßlich erscheinen. Geschmäcker sind eben verschieden und über diese sollte man wahrhaft nicht streiten. Zum Einen ist Geschmack nicht nur eine individuelle Angelegenheit, er ist auch ein unabdingbarer Ausdruck der Persönlichkeit. Zum Anderen ist er stark geprägt von der Inselrealität, dem Horizont und der Kulturzugehörigkeit einer Person, die sich eines solchen rühmen kann.

Die traditionelle Festtagskleidung eines Janomami-Indianers würde wahrscheinlich auf einer europäischen Abendgesellschaft eher anstößig erscheinen, während Fliege und Smoking bei einem Initiationsritual der Janomami als unpassend eingestuft werden würde. So ist den meisten Europäern auch kaum bewußt, daß sie aus asiatischer Sicht, ein „barbarisches“ und regelrecht verabscheuungswürdiges Benehmen an den Tag legen.

Jedoch sind die Möglichkeiten, dem persönlichen Geschmack Tribut zu zollen, ein Spiegel der Freizügigkeit einer Gesellschaft und der Freiheit des Individuums. Es gibt auch keinen guten oder schlechten Geschmack, denn entweder verfügt man über Geschmack – oder eben nicht.

Wer glaubt einen guten Geschmack zu haben, weil er tunlichst bemüht ist immer modisch zu sein, befindet sich auf einem Irrweg, der lediglich das Fehlen eines persönlichen Geschmacks – oder gar – charakterlosen Opportunismus offenbart.

Denn Geschmack ist völlig unabhängig von modischen Einflüssen und untrennbar mit der individuellen Persönlichkeit verknüpft. Das schließt jedoch nicht aus, daß man die Schöpfung anderer Menschen durch gesellschaftliche, kulturelle oder weltumfassende Ereignisse, so ansprechend empfinden kann, daß man dieses Elementen des eigenen, individuellen Geschmacks hinzufügen kann.

Im Laufe eines Menschenlebens, kann sich der persönliche Geschmack zuweilen ändern. Vor allem in der pubertären Phase ist eine Veränderung des Geschmacks nicht nur wahrscheinlich, sondern zeugt von einer natürlichen und gesunden Entwicklung.

Ändert sich allerdings der „Geschmack“ jährlich, sollte man ernsthaft mit sich zu Rate gehen und überprüfen, ob man nicht lediglich den scheinbaren Lebensstil Anderer kopiert. Sollte dies der Fall sein ist die Selbsteinschätzung „über einen eigenen Geschmack zu verfügen“ leider ein vollständiger Trugschluß!

Der Wahrheit ist es völlig gleichgültig, ob man ihr glaubt !

„Arto“ F.J. Lutz

Arto F.J. Lutz