Verdrehte Welt – oder wie man in Asien Gesicht verliert

Als „Weißnase“ in Indonesien ist es mitunter nicht leicht sich mit den Gepflogenheiten der Einheimischen auseinander zu setzen. Speziell als Frau scheint man einen etwas anderen Stellenwert zu haben, was mich als Vertreter dieser Spezies des öfteren wenigstens innerlich zur Raserei bringt. Was technische Bereiche angeht, meinen die einheimischen Männer, haben Frauen nicht die geringste Ahnung (was wohl auch auf die Haltung einiger Männer in geminderter Form in Europa zutrifft, doch die Aufklärung steht ja angeblich nicht still).

In Indonesien und vielen anderen Teilen Asiens ist es ein leichtes sein „Gesicht“ zu verlieren, was einer Blamage oder einer Art Entwürdigung gleichkommt. Bruce Lee-Fans wissen, wovon ich spreche. Hat man Gesicht verloren, ist es manchmal möglich, es wieder zu erlangen, auf welche Art und Weise bestimmt die jeweilige Situation.

Gesicht ist für unsereins schnell verloren aus Unwissenheit, Äußerung von Emotionen oder aufgrund völlig entgegengesetzter Verhaltens- und Denkweisen – merke, wir befinden uns auf der anderen Seite der Erde. Selbst das Wasser läuft entgegengesetzt ins Waschbecken. Mein Entschluß hier auf einer Indonesischen Insel zu leben ist grundsätzlich nicht zu bemängeln, ich muß nur in bestimmten Situationen lernen damit zurechtkommen.

Ich richte mich also fernab von Touristenzentren in einem Haus ein, kaufe auf dem lokalen Markt zu nachtschlafender Zeit Gemüse (um 7 Uhr wird es eng mit dem Angebot), arrangiere mich mit diversen wilden Zibetkatzen, Geckos, Fledermäusen, Lachvögeln und Skorpionen, gehe zu Familienfeiern (als exotische Attraktion) und beschließe, um mich nicht dem Risiko der wahnsinnigen Motorradfahrer auszusetzen, ein Auto zu mieten.

Wie so oft ist auch das kein Problem, der Dorfschullehrer braucht Geld und verleiht mir seinen 12 Jahre alten Jeep. Ein Übersetzer vom Englischen ins Indonesische ist dabei, jeder freut sich als das Auto vorfährt. Aus Erfahrung bestehe ich auf einer Probefahrt, und schon kurz nach dem Anfahren ist mir klar, Auto ist gemietet, nur mit einem kleinen Aber!

Dieses Aber besteht aus einer Kupplung, die so alt wie die Teigschüssel meiner Großmutter ist, der Schalthebel vergleichbar mit dem dazugehörigen Kochlöffel. Ich möchte anmerken dass ich, seitdem ich den Führerschein besitze, schon immer ältere Autos fuhr, demzufolge von gewissen altersbedingten Erscheinungen einige Erfahrungen gesammelt habe. Von der Probefahrt zurück lobe ich den guten Zustand der Bremsen, die laute Stereoanlage und die nachtschwarzen Fenster. Und natürlich bemerke ich die Verfassung der Kupplung.

Zählen wir zusammen: Eine Weißnase, weiblich, mietet ein Auto und meint technisches Verständnis zu besitzen, indem sie klarstellt, dass die Kupplung alt ist und in Kürze einer dringenden Reparatur bedarf. Besser früher als später, um Kosten zu sparen. Diese Feststellung meinerseits trägt auf einen Schlag enorm zur allgemeinen Erheiterung bei. Ich sehe es ihren Gesichtern an, dass sie sich innerlich kugeln vor Lachen.

Im Grunde ist es mir egal, ich möchte nur vermeiden, dass ich dann diejenige bin, die für die Reparatur aufkommt: Normalerweise kann eine Frau mit 20jähriger Fahrpraxis nach hiesiger Meinung nur Pferde schieben. Ich warte den Lachanfall ab, erkläre dann noch einmal, dass ich aufgrund meiner Erfahrung sicher bin, dass die Kupplung nicht mehr die neueste ist. Dass es vielleicht noch ein paar Monate gutgehen könnte, oder auch nur noch 2 Wochen, dass kann niemand wissen, ich möchte es ja nur gesagt haben.

Die folgende Lachsalve zwingt die Männer fast unter den Tisch, wäre dieser nicht nur kniehoch. So weit, so gut, das Geschäft ist gemacht, ich habe einen fahrbaren Untersatz, alle sind zufrieden.

Bis zum zweiten Tag.

Wie gewöhnlich parke ich am Haus, bin etwas zu dicht an der Wand und will noch einmal zurückstoßen – Pfefferkuchen! Die Kupplung sitzt plötzlich so fest, dass sich der Schalthebel keinen Millimeter mehr bewegt. Soweit zu meinem technischen Unverständnis.

Glücklicherweise hält sich in der Nachbarschaft ein australischer Ingenieur auf, der sich der Vermittlung des Problems annimmt und es schafft, dass das Auto am nächsten Tag auf geheimnisvolle Weise zur Reparatur abgeholt wird. Nein, ich empfinde keine Genugtuung! Ich lache auch nicht in mich hinein!

Nach zwei Tagen fährt der Jeep wieder vor, der Übersetzer reißt mich aus meiner Lektüre, bittet mich zum Auto, der Besitzer will mir zeigen, wie man ein solches bedient. Ich lächle zurück, bedanke mich und vertiefe mich wieder in mein Buch, doch ich werde noch einmal aufgefordert mich zum Auto zu begeben.

Ich beuge mich, fest im Glauben es handelt sich um einen Scherz, und folge dem Menschen zum Jeep. Dort angekommen geht alles sehr schnell: der Eigentümer läßt mich auf dem Beifahrersitz Platz nehmen, versichert sich meiner Aufmerksamkeit und zeigt mir wie jeder einzelne Gang einzulegen ist, lässt mich diese mitzählen und verweist auf das treten der Pedale. Was mich zu einem in einem Auto sitzenden Fragezeichen werden lässt. Ich verstehe die ganze Aktion nicht, eine dumpfe Ahnung überfällt mich, die mich in absolute Ungläubigkeit versetzt.

Die aufkommende Entrüstung über die Ignoranz meines schönen deutschen Führerscheins (und der damit verbundenen Fahrprüfung) verpufft mit der Aufforderung des Eigentümers mich nun ans Steuer zu setzen und den Vorgang zu wiederholen. Ich leiste dem Folge ohne eine Miene zu verziehen, was mir bis zu dem Punkt gelingt, an welchem er mich ermutigt mein neu erworbenes Wissen unter „fahrenden“ Beweis zu stellen. Ich kann nicht anders, pruste los und biege mich vor Lachen, als mir klar wird, dass es ernst gemeint ist. Hätte das Auto mehr Beinfreiheit würde ich mich unter dem Steuer wiederfinden.

Auch der Lehrer ist letztendlich von meinem Können überzeugt, jedenfalls schließe ich das aus seinem aufatmenden Heiterkeit. Alles ist gut, ich kann wieder Autofahren, so oder so. Die Auflösung kommt einen Monat später durch eine Bekannte, der ich alles erzähle:

Da sich mein Hinweis auf die ausgeschlagene Kupplung nach ein paar Tagen bewahrheitete, verloren die Männer Gesicht. Um dieses wieder zu erlangen, musste ich in die Kunst des Fahrens eingewiesen werden und die Welt ist wieder in Ordnung.

Welch Unterschied zu meinem Verständnis von Peinlichkeit!

Kein Problem mit einem Hinweis auf einen möglichen Schaden, der dann tatsächlich auch eintrifft. Die Lächerlichkeit, das Gesicht verlieren aus meiner Sicht war die Einweisung zum Autofahren. Aber wie gesagt, ich befinde mich auf der anderen Seite der Welt. Und setze mich auch des öfteren in die Nesseln. Doch das erweitert meinen Horizont, lässt mich über mich selbst Lachen, beugt ganz nebenbei (geistigem) Rheuma vor – und ich kann Geschichten wie diese erzählen.

Susanne Guckenberger