Glücksforschung: Kriterien des Flow-Erlebnisses nach M. Csiksczentmihalyi

Was ist „Flow“?

Glücksgefühl Flow Glück KriterienM. CSIKSCZENTMIHALYI, ein in Kroatien geborener US-amerikanischer Psychologe der Gegenwart, hat das Wort „Flow“ als eigenen Terminus geprägt. Er wurde damit weltberühmt.

Er hat Künstler bei ihrer Arbeit beobachtet, sie interviewt und festgestellt, dass sie bei besonders intensiver und vollständiger Hingabe an ihre Arbeit in ein ganzheitlich, beglückendes Hochgefühl bekommen.

Weil alle seine untersuchten Personen von einem „fließenden“ Gefühl sprachen, nannte er dieses Hochgefühl „Flow“ (= das Fließen).

In diesem Artikel will ich Ihnen einen Überblick über die Kriterien geben, die mit diesem Glücksgefühl „Flow“ einhergehen. M. Csiksczentmihalyi ging davon aus, dass der Zustand des „Flows“ jedem Menschen möglich ist. Allerdings braucht es dazu bestimmte Umstände und Einstellungen bei einem Menschen, die ich in folgenden Kriterien darstellen will.

1. Kriterium: Die Ziele sind klar

Er versteht damit nicht nur Endziel einer Tätigkeit, sondern das „augenblickliche Ziel aller Sinne und der Aufmerksamkeit des ganzen Menschen“. Dabei werden Endziele nicht ausgeklammert, aber sie stehen erst dann im Mittelpunkt, wenn sie erreicht werden und nicht schon vorher.
Beim Vergleich mit dem Extrembergsteiger ist also der nächste Griff, das Suchen nach dem nächsten Halt gemeint und nicht der Gipfelsieg. Es geht ihm weniger um das erfolgreiche Tun, als vielmehr um die Qualität der Erfahrung im Augenblick des Tuns.

Das ist eigentlich auch schon bekannt unter den Leitsätzen: „Der Weg ist das Ziel“, oder der „Empathie“ bei Carl R. Rogers.

2. Kriterium: Die Rückmeldung kommt sofort

Wir brauchen eine Rückmeldung, wenn wir eine Tätigkeit mit ganzer Aufmerksamkeit tun, um den Erfolg, die Wirkung unseres Tuns zu erleben. Diese Rückmeldung sollte optimal vom Objekt unseres Tuns direkt kommen. Umwege über Vorgesetzte und Kollegen sind eher nicht damit gemeint. Wir brauchen also eine „Live“-Bindung zum Objekt.

3. Kriterium: Handlungsmöglichkeiten (Herausforderung) und Fähigkeiten entsprechen einander

Bei der Durchführung einer Aufgabe entsteht im Akteur ein Gefühl, das genau in der Beziehung des eigenen Könnens und der möglichen Umsetzung begründet ist.

M.C. (für Mihaly Csikszentmihalyi) stellte fest, dass wir uns langweilen, wenn wir unterfordert sind und ängstlich werden, wenn wir überfordert sind, oder glauben überfordert zu sein.
Dazu hat er ein bemerkenswertes Diagramm entworfen, das nachstehend zu finden ist.
Der Flow, das Flow-Erlebnis oder das Erlebnis der Schaffens-Freude tritt ein, wenn sowohl die Handlungsanforderungen als auch die individuellen Fähigkeiten hoch sind und beide in einem ausgewogenen Verhältnis zueinanderstehen.

Dabei ist es ganz wesentlich, auf die individuellen Menschen einzugehen. Was für einen Extrembergsteiger gilt, gilt nicht auch für einen Turnierteilnehmer an einer Schach-Weltmeisterschaft. Dieses Erlebnis ist unabhängig von der jeweils ausgeübten Tätigkeit.

Kriterien des Glücksgefühls Flow Forschung

4. Kriterium: Die Konzentration steigt

In Zusammenhang mit Flow spricht M.C. nicht von einer Konzentration „wie bei der Lösung einer Rechenaufgabe“ (p 69), nein, er beschreibt einen „ekstatischen“ Zustand.

Das griechische Wort „Ekstase“ kommt von ekstasis, ews, h = außer sich geraten, Verzückung, was wieder von ex-istamai = außer sich stehen, verzückt sein, abgeleitet werden kann. Der Zustand ist außerhalb des Gewöhnlichen, eben „außergewöhnlich“.

Nach Beschreibungen von Klienten von M.C. entsteht diese Konzentration durch Einbeziehung aller Wahrnehmungen und wird als ein sich „völlig eins fühlen“ verstanden, egal was man tut, ein Dichter – mit seinen Worten, ein Bergsteiger – mit dem Felsen, ein Rennfahrer – mit seinem Auto. Alle Reaktionen laufen automatisch ab, es wird nicht von Fall zu Fall gezielt nur der Verstand eingeschaltet.

Wesentlich dabei ist, dass dieser Zustand sehr wohl zu bewussten Reaktionen führt, die aber durch Ausschalten aller anderen Tätigkeiten entsteht, also eine Art Konzentration aller Sinne und Wahrnehmungen auf ein Ziel und ein völlig sicheres Reagieren auf die jeweiligen Fakten. Dieses Reagieren ist so wirkungsvoll, dass es dann zu völlig richtigen Aktivitäten führt.
„Im Zustand des Flow verschmelzen Handlung und Bewusstsein zu einer ungeteilten Welle der Energie“ (p 69 mitte). Alles scheint mühelos abzulaufen, trotz bestehender Anstrengungen und Gefahren (p 70 oben). Sportler beschreiben dies mit einem „sich konzentrieren auf sich selber“, nicht auf dem Besiegen-wollen eines Gegners.

5. Kriterium: Was zählt, ist die Gegenwart

Durch eine bewusste Zuwendung zu einer neuen Aufgabe ist der Mensch neu herausgefordert und alle seine Sinne wenden sich dieser zu. Dadurch „enthebt“ er sich dem Alltag, der langweilig und depressiv sein kann. Es tritt ein Ausklammern von alltäglichen Sorgen und Problemen auf. Wenn das Flow-Erlebnis eintritt, wird die Vergangenheit maximal 30 Sekunden und die Zukunft nicht länger als 5 Minuten (Zitat eines Physikers, p 72).

6. Kriterium: Beherrschung der Situation

Bei direktem Dialog oder Kampf mit einem Gegner muss das Flow-Gefühl kommen, sonst entsteht Angst oder Langeweile.

Es ist wichtig, dass man bei einer anstehenden Aufgabe sein Bestes gibt und darauf vertraut, dass es ausreicht, um die Oberhand zu behalten (p 76). Die vollkommene Kontrolle des eigenen Geistes allein ist eher zu wenig, die Umgebung, die Situation und die Aufgabenstellung wirken ebenfalls mit. Der Mensch agiert, aber denkt nicht nur, sondern lässt auch geschehen, wartet ab und reagiert „unüberlegt“ (in positivem Sinne) richtig.

Ein Zweikampf wird erfolgreich gewonnen, weil man seine Regeln, die man trainiert hat, eingehalten hat, nicht weil man dem Gegner geschadet hat. So erreicht man den Flow-Zustand oder mit anderen Worten ausgedrückt: Man kann sich echt dauerhaft freuen.

7. Kriterium: Das Zeitgefühl verändert sich

Neben der mit der Uhr gemessenen physikalischen Zeit gibt es auch eine individuell wahrgenommene Zeit. Sie kann gravierend unterschiedlich zur physikalischen Zeit sein.
Wenn wir konzentriert denken, unsere Gedanken einen bestimmten Zeitpunkt erwarten, vergeht sie langsamer. Wenn wir etwas in vollem Flow tun, kann sie aber auch viel schneller vergehen, als wir es annehmen. „Wir bemerken dann gar nicht, wie die Zeit vergeht“ – das ist doch eine schon lange bekannte Redewendung.

8. Kriterium: Das Aussetzen des Ich-Bewusstseins

Das ist im Flow so zu verstehen, dass die Aufgabenstellung und volle Zuwendung mit allen seinen Sinnen das eigene Ich vergessen lässt, wenn es nicht ein Teil der Aufgabe ist. Die volle Zuwendung lenkt sogar ab von persönlichen Gefühlszuständen, Lebensumständen und Problemen.

Das heißt nicht, dass der Akteur nicht bewusst und mit ganzem Einsatz aller seiner Fähigkeiten auf seine Aufgabe konzentriert- Nicht er selbst sondern nur diese Aufgabe steht – voll und ganz – im Mittelpunkt.

Das Flow-Erlebnis stellt sich dann ein, wenn der Mensch sich als Teil eines größeren Ganzen erleben und so voll aktiv sein kann. Er wächst sozusagen über sich hinaus, bleibt aber voll und ganz bei seiner Aufgabenstellung.

M.C. zitiert den Wiener Neurologen und Psychiater V. Frankl (1905-1997) (p 81), mit den Worten, dass wir Glück nicht dadurch erreichen können, dass wir uns wünschen, glücklich zu sein. Glück muss sich als die nicht intendierte Konsequenz des Arbeitens auf ein Ziel hin einstellen, das größer ist als der Mensch selbst.

Ergänzendes Kriterium 8a: Höheres Selbstwertgefühl am Ende eines Flow

Jedes Flow-Erlebnis ist dadurch gekennzeichnet, dass der Akteur anhaltendes Selbstwertgefühl gewinnt, z. B. nach der Darbietung eines Konzerts, einer Sportveranstaltung, eines Gottesdienstes oder einer politischen Versammlung.

Jetzt wird auch klar, warum M.C. von seinem Flow, die reine Lust oder das Amüsement als natürliche Triebbefriedigung ausklammert, weil die mit einer sättigenden und ausgleichenden Zufriedenheit enden. Das heißt nicht, dass er sie als etwas Schlechtes oder Unnötiges wertet, aber er weist auf den Unterschied hin.

Sein Flow bringt echte Bestätigung seiner selbst in Form von bleibender echter Freude durch Erfahrung und Verbesserungen aller seiner eigenen Fähigkeiten, Leistungen und Werte.

Literatur

M. CSIKSZENTMIHALYI, Flow im Beruf, Übersetzung nach „Flow and the Making of Meanings“ durch Ulrike STOPFEL, 2004, Verlag Klett-Cotta, ISBN 3-608-93532-0

Barbara ORLAND (Hrsg.), Artifizielle Technik – Lebendige Technik, Chronos Verlag, Zürich,2005, ISBN 3-03400-0690-X, p9-36

Michael TRIMMEL, Computertätigkeit und Realitätsbezug, 1994, Psychologische Forschung in Österreich, Herbert JANIG (Hg.), Universitätsverlag Carinthia Klagenfurt, ISBN 3-85378-434-8

Michael TRIMMEL, ‚Homo Informaticus‘ – der Mensch als Subsystem des Computers?, Verlag

KOHLHAMMER, Stuttgart, 1998, Sammelband Cyberethik, Anton Kolb (Hrsg.), ISBN 3-17-015571-7

Franz PLOCHBERGER, Grenzen des Menschen, 2009, Internet an der Universität Wien, http://textfeld.ac.at/text/1578/

Franz PLOCHBERGER, Kriterien des Flow-Erlebnisses – nach Mihaly SCIKSZENTMIHALYI, 2012, Eigenverlag, Wien, TED-Video filmed Feb 2004, published Oct 2008, M.CSIKSZENTHIHALYI live: http://www.ted.com/talks/mihaly_csikszentmihalyi_on_flow.html

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