Zwanghaftes Shoppen: Kaufsucht und ihre Folgen

Shopping macht vielen Menschen Spaß: Das Bummeln durch die Stadt oder das Shoppen im Netz sind nicht selten willkommene Gelegenheiten, Entspannung zu finden und sich etwas Gutes zu tun. Die Frage ist, wann Shoppen zur Kaufsucht wird.

Unterschied: Shoppen und Kaufsucht

Im Grunde spricht nichts dagegen, sich oder anderen Personen im Rahmen der eigenen finanziellen Möglichkeiten den einen oder anderen Wunsch zu erfüllen.

Kritisch wird das Shoppen in der Regel erst dann, wenn man es nicht mehr kontrollieren kann und es im eigenen Leben einen Stellenwert erlangt, der im Verhältnis zu anderen Lebensbereichen überbewertet erscheint.

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Nicht jede Person, die gerne einkauft, ist, wie die Umgangssprache manchmal suggeriert, kaufsüchtig. Wer allerdings bemerkt, dass das Shoppen eine immer wichtigere Rolle im Leben spielt und zunehmend auch problembehaftet ist, sollte sich mit diesem Sachverhalt einmal näher auseinandersetzen. Im Folgenden erfahren Sie, wann man im Allgemeinen von einer Kaufsucht spricht, welche Folgen eine Kaufsucht haben kann, wie Sie sie erkennen und bewältigen können.

Wann spricht man von Kaufsucht?

In dem Band „Gesellschaft und Sucht“ aus der Reihe „Aus Politik und Zeitgeschichte“, welche die Bundeszentrale für politische Bildung herausgibt, wird die Kaufsucht als ein Phänomen beschrieben, das episodisch auftritt und zwanghaft ist.

Menschen, die unter Kaufsucht leiden, empfinden eine Befriedigung beim Shoppen, die allerdings in der Regel nicht lange anhält. Viele Betroffene kaufen dabei nicht nur Konsumgüter, die sie wirklich gebrauchen können, sondern auch solche, die sie später kaum oder gar nicht nutzen: Das Kaufen selbst ist der entscheidende Reiz.

Offenbar überhöhen Kaufsüchtige das positive Gefühl, das im Grundsatz fast alle Menschen beim Shoppen haben, so sehr, dass sie die Kontrolle über ihr Verhalten verlieren.

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Im oben erwähnten Band, welcher das Thema Sucht beleuchtet, sind diverse Merkmale der Kaufsucht aufgeführt. Dazu gehört auch das Gefühl der Betroffenen, nicht gegen das zwanghafte Verhalten anzukommen und die Kontrolle zu verlieren, sowie der Befund, derart auf das Shoppen fixiert zu sein, dass andere Bereiche des Lebens wie etwa der soziale Austausch mit Mitmenschen immer unwichtiger werden.

Auch bereits deutlich werdende finanzielle und emotionale Problemlagen, die durch das Shoppen entstehen und für jeden verantwortungsbewussten Konsumenten ein Alarmzeichen sind, ignorieren Kaufsüchtige oft. Sogar Entzugserscheinungen, Schuldgefühle, Dosissteigerungen, Depressionen und die Entwicklung anderer Süchte können laut oben zitierter Quelle bei einer Kaufsucht auftreten.

Durch die Darstellung der wesentlichsten Merkmale einer Kaufsucht wird schnell erkennbar, dass die Kaufsucht ein ernst zu nehmendes Problem ist, das sich wesentlich davon unterscheidet, einfach nur Spaß am Shopping zu haben.

Gerade dieser Spaß bleibt bei Betroffenen früher oder später aufgrund der Folgen der Kaufsucht aus. Bei der Bewältigung der Kaufsucht offenbart sich dabei eine besondere Schwierigkeit: Betroffene können auch nach einer Therapie selbstverständlich nicht auf Dauer gänzlich ohne Shopping ihr Leben führen, wenn sie eigenständig bleiben möchten. Sie kommen somit immer wieder mit der Handlung in Kontakt, die in früheren Zeiten zwanghaft ausgeführt wurde.

Folgen der Kaufsucht

Eine echte Kaufsucht hat – wenn man sie zunächst nur oberflächlich betrachtet – vor allem Auswirkungen auf die Finanzen der Betroffenen. Wer wahllos einkauft und das eigene Budget dabei gänzlich aus den Augen verliert, läuft schnell Gefahr, sich einer Verschuldung auszusetzen.

Insbesondere das Bezahlen mit EC- und Kreditkarten oder Bestellungen auf Rechnung sorgen nicht selten dafür, dass Betroffene ihrer Sucht nachgehen können, ohne unmittelbar die finanziellen Folgen zu spüren. Erst später wird die finanzielle Lage bedrohlich und kann dazu führen, dass auch wichtige Rechnungen zum Beispiel für Strom oder Miete nicht mehr beglichen werden können.

Spätestens, wenn eine solch bedrohliche Situation und eine Verschuldung entstanden sind, tun sich weitere Probleme auf, die sich selbstverständlich auch auf das emotionale Erleben beziehen. Kaufsüchtige, die eine Familie zu versorgen haben, machen sich häufig Vorwürfe, dass sie aufgrund ihres zwanghaften Verhaltens dieser Aufgabe nicht mehr angemessen nachkommen können.

Die Angst, dass das eigene Problem öffentlich wird, kann zudem dazu führen, dass man Kontakte mit Freunden und Verwandten meidet – eine Lage, welche die Situation noch verschlimmern kann, da man sich dem übermächtigen Problem alleine gegenübergestellt sieht. Das bereits oben angesprochene Entstehen von Depressionen ist in einer solchen Lage eine verständliche Folge.

Kaufsucht erkennen und Wege aus der Sucht suchen

Eine Kaufsucht kann sich relativ schnell durch Verschuldungen und emotionale Problemlagen zeigen. Insbesondere erwachsenen Familienmitgliedern, die Einblicke in die Finanzen und in das Verhalten der betroffenen Person haben, wird früher oder später bewusst, dass etwas nicht stimmt – auch wenn der Betroffene sein Problem zunächst gut verbergen konnte. Noch schwerer, als eine Kaufsucht zu erkennen, ist es allerdings für Betroffene, sich auch einzugestehen, dass sie ein Problem haben, das sie angehen müssen.

Diese Erkenntnis ist mit Sicherheit wesentlich, wenn die Kaufsucht schon bald der Vergangenheit angehören soll. Unterstützung können Kaufsüchtige zum Beispiel in Selbsthilfegruppen und bei Psychologen finden. Mittlerweile gibt es sogar spezielle Therapien, die helfen sollen, die Kaufsucht zu bewältigen. Die psychosomatische und psychotherapeutische Abteilung am Universitätsklinikum Erlangen hat bereits 2008 laut eigener Angaben den wissenschaftlichen Nachweis erbracht, dass eine in Erlangen getestete, spezielle Therapie gegen Kaufsucht helfen kann.

Es ist auch nicht auszuschließen, dass manch ein Betroffener selbst den Weg aus der Kaufsucht findet, etwa indem er Reizen gezielt ausweicht und sich weiteren Restriktionen aussetzt. Auch wenn man es schaffen sollte, von alleine oder mithilfe von Freunden und Verwandten das Einkaufen auf ein normales Maß zu reduzieren, muss dieses allerdings nicht bedeuten, dass alle Probleme bereits bewältigt sind.

Süchten und Zwängen liegen häufig tief greifende psychologische Ursachen zugrunde. Diese Ursachen – zum Beispiel im Rahmen einer psychologischen Betreuung – aufzudecken, kann für manch einen Betroffenen sinnvoll sein, um nicht zu einem späteren Zeitpunkt wieder in eine kritische Lebensphase zu geraten.

Bei der Kaufsucht stellt sich ein ähnliches Problem wie bei Essstörungen. Genauso wie ein magersüchtiger Mensch auch nach der Bewältigung der größten Probleme immer mit der problematischen Handlung des Essens konfrontiert wird, muss sich auch eine kaufsüchtige Person nach der Bewältigung der Sucht immer wieder mit dem Einkaufen beschäftigen, um autark zu bleiben. Ein kompletter Entzug wie beispielsweise bei Alkoholkranken erscheint nicht möglich, wenn man auf Dauer ein eigenständiges und verantwortungsvolles Leben führen möchte.

Autor: Stefan Schützeichel aus Köln

Quellen:

Bundeszentrale für politische Bildung, aus Politik und Zeitgeschichte, Band „Gesellschaft und Sucht“, Abschnitt: Zur Entstehung und Verbreitung der „Kaufsucht“ in Deutschland – Merkmale der Kaufsucht – abgerufen am 16.04.2012.

Psychosomatische und psychotherapeutische Abteilung am Universitätsklinikum Erlangen, „Erstmals wirksames Therapie-Modell gegen Kaufsucht nachgewiesen“, vom 22.07.2008 – abgerufen am 16.04.2012.

Stefan Schützeichel