Inklusive Pädagogik: Ein Weg zu einem neuen Schulsystem

Wie kann unser Bildungssystem sinnvoll modernisiert werden? Können unsere Schulen heute die Herausforderung auf ein „lebenslanges Lernen vorzubereiten“, meistern? Lesen Sie in diesem Artikel über „Inklusive Pädagogik“, wie man bei diesen alten Fragen zu neuen Antworten kommen kann.

Bildungskritik Inclusive PädagogikWenn ein Lehrer heutzutage das Klassenzimmer betritt, so findet er Heterogenität in Bezug auf Sprache, Kultur und persönlicher Entwicklung der Schüler vor.

Diese Tatsache stellt uns vor die Herausforderung auf diese Bedingungen einzugehen, den Unterricht entsprechend zu gestalten und nach den Regeln und Überlegungen einer inklusiven Pädagogik vorzugehen.

Die Klassenkonstellation bildet auch die Gesellschaft ab, in der wir leben und uns behaupten müssen. Kriterien, wie gegenseitige Wertschätzung, Akzeptanz, Anerkennung, aber auch Eigenverantwortung zu übernehmen, finden sich in diesem Konzept wieder.

Ebenso werden die Individualisierung, das Erkennen und Annehmen der eigenen Stärken und Schwächen, sowie der Stärken anderer als Bereicherung und Chance gesehen. Wie lassen sich nun Kriterien einer inklusiven Pädagogik in einer modernen und zeitgemäßen Schule umsetzen?

Liegt es alleine am Engagement der Lehrer und an den Kenntnissen um den Begriff der Inklusion, wie wir ihn seit Jahren kennen, als ihn die UNESCO 1994 bei ihrer Tagung von Salamanca eingeführt hat? (Siehe: "Die Salamanca-Erklärung und der Aktionsrahmen zur Pädagogik für besondere Bedürfnisse" Link)

Sicher reichen das bloße Wissen der Lehrer um eine Sache und ihr guter Wille nicht aus, wenn die nötigen Rahmenbedingungen nicht geschaffen sind. Um inklusiven Unterricht leisten zu können, sind sowohl personelle als auch räumliche Ressourcen unverzichtbar. Wollen wir uns am hoch gepriesenen Schulsystem in Finnland orientieren, so haben diese an ihren Schulstandorten unter anderem Schulpsychologen, die Eltern und Schüler zur Verfügung stehen.

An österreichischen Grundschulen müssen Schüler eine wochenlange oder gar monatelange Wartezeit in Kauf nehmen, um eine Austestung in Anspruch nehmen zu können. Die Lehrer und die Eltern des Kindes werden anschließend über das Ergebnis informiert, jedoch dann mit dem Problem alleine gelassen. Von einer Begleitung durch den Prozess einer Therapie oder einer gezielten individuellen Förderung kann man in weiten Teilen des deutschen Sprachraumes derzeit wohl nur träumen.

Es werden viel mehr Schulpsychologen und Sozialarbeiter gebraucht, die sowohl Eltern als auch Lehrern helfend unter die Arme greifen. Auch Eltern sind oftmals mit den Erziehungs- oder Lernproblemen ihrer Kinder überfordert, und wenden sich schließlich vermehrt Hilfe suchend an die Klassenlehrer.

Wie werden schließlich etwaige Defizite der einzelnen Schüler, wie Legasthenie, Dyskalkulie, Teilleistungsschwächen in unterschiedlichsten Bereichen und dergleichen abgedeckt? Auch diesbezüglich mangelt es an Personal und an Ressourcen. Die Verantwortlichen scheinen bis heute noch nicht in der Lage zu sein, die notwendigen Maßnahmen aus dem PISA-Test wirkungsvoll in Angriff zu nehmen.

Dafür müssten gezielt ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung stehen oder die Lehrer besser ausgebildet werden. Als der Neoliberalismus hoch im Kurs stand, wurden einige Fördermaßnahmen zum Zwecke der Budgetkonsolidierung einfach eingestellt. Das individuelle Fördern von Kindern gelingt natürlich besser in kleinen Gruppen, die aber auch entsprechend Personal brauchen.

inklusive pädagogick in Schulen - KlassenzimmerEbenso notwendig ist ein attraktives Raumangebot, wo sich Kinder individuell entfalten, zurückziehen und in Ruhe in ihrem eigenen Tempo, an ihrer Aufgabe arbeiten können.

Eine inklusive Pädagogik weckt das Interesse und die Neugierde auf allen Gebieten und möchte auch spannende Orte schaffen, wo Kinder nach dem Motto „Learning by Doing“ forschen und experimentieren können, um dem natürlichen Antrieb des Lernens nachgehen zu können.

Fragwürdig sind im heutigen Schulsystem die starren Unterrichtsstunden, die sich schon seit Jahrhunderten beharrlich in unserem Schulwesen halten und gar nicht in das Konzept einer Schule mit inklusiven Kriterien passt. Der Rhythmus der Schulglocke trennt uns von der Umsetzung einer Pädagogik der Individualität, der Eigenverantwortung, der Kreativität und der Unbegrenztheit des freudigen Lernens.

Prinzipiell ließe sich eine Auflösung dieser Einteilung in der Grundschule besser handhaben, doch gewisse Fixpunkte wie Turn-, Religionsstunden und dergleichen engen den Spielraum auch wieder ein. Diesbezüglich wären fächerübergreifende, teamorientierte Stunden von Vorteil, die eine flexible Zeiteinteilung ermöglichen.

Die Unterrichtseinheiten sollten sich nach der Nachfrage, der Wissbegierde der Schüler oder am zeitlichen Bedarf orientieren, die zur Fertigstellung begonnener Arbeiten nötig sind. Die Lerngruppe soll in autonomer Entscheidung den Zeitrahmen selbst festlegen können. Ein Stiefkind der Schulentwicklung war bisher der Raumbedarf für Lehrer an den Schulen.

Geprägt durch die unzeitgemäße und irreale Vorstellung, dass der Lehrerberuf ohnedies nur ein Halbtagsjob ist und sich die Lehrerarbeit hauptsächlich im Klassenzimmer abspielt, wurde auf die Plätze zur individuellen Vorbereitung und zur Teamvorbereitung immer wieder vergessen. Ein Kopiergerät, ein Drucker und ganz wenige Computer für viele Lehrer, das sind nicht die Voraussetzungen, unter denen man sich einen Unterricht erwarten darf, der zu vorbildlichen Ergebnissen führt.

Sieht man von personellen und räumlichen Aspekten ab, so stellt sich die Frage, wie und was in einer Schule der inklusiven Pädagogik gelehrt werden soll. Schule soll nicht nur Lerninhalte, sondern vor allem Kompetenzen vermitteln, die Schüler auf „das Leben“, die Welt und ihre Arbeitswelt vorbereiten. Schule muss neugierig auf die Welt machen, vorhandene Interessen und Begabungen fördern und weiter entwickeln. Schüler sollen auf ein lebenslanges Lernen vorbereitet werden. Es gibt nicht mehr den Job, den man ein Leben lang ausübt. Flexibilität, Offenheit und Schlüsselkompetenzen sind gefragt.

So genannte Schlüsselkompetenzen wurden in der EU-Gesetzgebung angeführt, die neben sprachlichen, mathematischen und Lern-Kompetenzen, unter anderem auch soziale Kompetenzen umfasst. Die sozialen Kompetenzen beziehen sich einerseits auf die persönliche Entwicklung, als auch auf Umgangsformen in Bezug auf andere Menschen, ebenso auf Kenntnisse politischer und sozialer Konzepte, wie Demokratie, Gerechtigkeit, Gleichberechtigung, was auch eine aktive Beteiligung als Staatsbürger voraussetzt.

Des Weiteren werden Kreativität, Innovation, Eigenständigkeit und ein Bewusstsein ethnischer Werte angeführt. An den Universitäten wird immer deutlicher der Bildungsnotstand aufgezeigt, nicht nur der Platzmangel an vielen Instituten, sondern dass gerade die Hochschulbildung in den letzten Jahren nur auf eine schlichte und unbefriedigende Berufsausbildung reduziert worden ist. (Siehe auch "Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen" Link)

In einer inklusiven Schule, einer Schule der Vielfalt und der Chancengleichheit, geht es um die Kernbereiche der Bildung. In ihr finden wir genau jene Schlüsselkompetenzen, die einem großen Teil der Studierenden heute abgehen und die sie suchen. Im Sinne der Globalisierung, in einer Welt, wo sich viele Schranken öffnen und die Herausforderungen vielfältiger werden, muss auch die Schule sich öffnen und offen sein für Veränderung.

Wenn sie mit dem Gedanken, dass wir etwas Gutes schaffen können („Yes, we can“), angehaucht werden, dann bringt das die Qualitäten und Fähigkeiten hervor, die wir brauchen.

Notensystem in SchulenSeit Jahrzehnten wird über das Notensystem diskutiert. Wir müssen klarer als bisher sagen, dass die Ziffernnoten nicht einem wertschätzenden, individualisierenden Konzept einer inklusiven Pädagogik entsprechen.

Dieses Ziffernnotensystem ist starr, wertend, und kontraproduktiv, da es keinerlei individuelle Leistungssteigerungen des Kindes erkennen lässt, sondern nur Konkurrenz, Neid und Eifersucht fördert.

Eine individuelle, mit dem Kind erarbeitete Lernfortschrittsdokumentation wäre ein Modell, wo das Kind sich selbst einschätzen und eigene Ziele setzen kann. So kann es eigene Lernzuwächse erkennen, Zielsetzungen selbst steuern und so in die Eigenverantwortung und Eigenständigkeit gehen. Abschließend noch ein Wort zu den Räumlichkeiten der Schule.

Neue Schulen braucht unser Land, aber auch eine neue Schularchitektur. Orte des Wohlfühlens, der Behaglichkeit (Leseecken), aber auch solche, wo man Möbel kreativ und den momentanen Bedürfnissen entsprechend verschieben kann. Ob Schulen, die im Stil wie Kasernen gebaut wurden, weiterverwendet werden können, muss wohl kritisch hinterfragt werden.

Auf jeden Fall braucht Unterricht ein ausreichendes Platzangebot, eine freundliche Gestaltung und eine anregende Umgebung. Menschen, die sich in ihrer Umgebung wohlfühlen, können sich entfalten und aus sich gehen. Ein Lehrer-Team, das sich wohlfühlt, weil alle Rahmenbedingungen passen, wird gut zusammenarbeiten, kann und wird Leistungen erbringen und hat deshalb auch einen positiven Einfluss auf Schüler und steckt diese mit ihrer Zufriedenheit, Harmonie, Freude und Begeisterung an.

So sollen die Schulen der Zukunft aussehen. Viele Pädagogen, Eltern und auch Experten in der Wirtschaft wissen, zu welchen Zielen wir möglichst bald gelangen wollen.

Von Sylvia Gergo

Sylvia Gergo